"Es fällt mir zugegeben schwer, hier und heute eine Haushaltsrede zu halten, so wie wir sie kennen, denn in Europa herrscht Krieg." Mit diesen Worten begann CDU-Fraktionsvorsitzender, Alexander von Essen, seine Rede in einer außergewöhnlichen Haushaltssitzung des Rates, die neben den Gemeindefinanzen ganz im Zeichen des Russland-Ukraine-Krieges stand. Die komplette Rede gibt es hier zum nachlesen.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger, es fällt mir zugegeben schwer, hier und heute eine Haushaltsrede zu halten, so wie wir sie kennen, denn in Europa herrscht Krieg. Der erste Blick morgens geht aufs Handy – was gibt es Neues, was ist passiert in der Ukraine?
Wohl niemand von uns hätte sich träumen lassen, dass das was unsere Großeltern erlebt haben, der Krieg, auch uns im 21. Jahrhundert nochmal erreicht. Und für viele ältere Rastederinnen und Rasteder, für viele Familien in unserer Gemeinde werden in diesen Tagen Fluchtgeschichten wieder ganz präsent.
Ich blicke auch nach Russland und bin umso dankbarer, dass wir hier und heute zusammenkommen können in einem demokratisch gewählten Gemeinderat, dass wir offen diskutieren, kritisieren und anderer Meinung sein können, dass die Pressevertreter frei berichten und die Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen können - alles ohne Angst haben zu müssen, dass wir auf dem Weg aus der Mehrzweckhallte in einen Polizeibus gezerrt und weggesperrt werden, wie dies in Russland tagtäglich passiert.
Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, für meine Fraktion ganz deutlich zu sagen, dass wir diese Verstöße gegen das Völkerrecht, diese Kriegsverbrechen und die täglich wachsende Brutalität eines Diktators Vladimir Putin verurteilen. Ich beziehe mich dabei ausdrücklich auf Putin selbst, denn es ist sein Krieg – zum einen gegen die Ukraine und zum anderen im eigenen Land gegen die eigene Bevölkerung.
Und ich möchte zugleich Dank sagen an die AG für den Frieden, die gestern zu einer bewegenden und würdevollen Mahnwache für die Ukraine vor dem Rathaus eingeladen hat.
In diesem Zusammenhang ist es ein gutes Signal, dass die Gemeindeverwaltung von ihrem bisherigen Grundsatz, keine Beflaggung zu weltpolitischen Themen vor dem Rathaus zuzulassen, abgewichen ist. Nun wehen vor dem Rathaus die ukrainische und die europäische Flagge und senden ein ganz wichtiges Signal an alle die aus, die bei uns ankommen: Rastede heißt euch willkommen!
Und ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, Herr Bürgermeister, was auch immer zu tun ist, um diese Botschaft zu untermauern: Die CDU-Fraktion wird Ihnen und der Verwaltung dabei den Rücken stärken. Es kommen in dieser Sache große Herausforderungen auf die Gemeinde zu und wir werden Ihnen und Ihrem Team in dieser Sache uneingeschränkt zur Seite stehen und die notwendigen Beschlüsse fassen.
Wenn ich jetzt zum Haushalt komme, dann steht man vor diesem Hintergrund hier heute sehr demütig und ich muss zunächst feststellen, wie gut es uns in der Gemeinde Rastede doch geht.
Wir haben auch für das Jahr 2022 einen soliden Haushaltsplan von der Verwaltung vorgelegt bekommen und ich möchte direkt vorwegnehmen, dass meine Fraktion dem Haushalt 2022 zustimmt - auch wenn wir an der ein oder anderen Stelle andere Akzente gesetzt hätten, dazu komme ich gleich noch.
Lieber Herr Hollmeyer, vielen Dank für ihre Arbeit an diesem Zahlenwerk und ein Dankeschön an alle Beteiligten im Rathaus. Wir wissen, wie viel Arbeit und Energie in so einem Haushaltsplan und den politischen Beratungen bis zum heutigen Tage steckt.
Viele positive Maßnahmen, wie beispielsweise die Planungskosten für die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt in Hahn-Lehmden, der Ausbau des Loyer Weges, die Umgestaltung des Freibades, energetische Sanierungen oder der Erweiterungsbau an der KGS Rastede sind hier enthalten. Ich könnte hier noch weiter ausführen, aber dazu ist von meinem Vorredner schon vieles gesagt worden.
Wir sind ambitioniert unterwegs, wir wollen so ambitioniert unterwegs sein und zugleich nehmen wir die Warnung unseres Kämmerers sehr ernst, dass sich abzeichnet, dass unsere Erträge die Aufwendungen zukünftig nicht mehr decken könnten.
Unterm Strich profitieren wir heute – Corona zum Trotze – von einer klugen Ansiedlungspolitik des Gemeinderates und gestatten sie mir, ganz wesentlich der CDU-Fraktion in den vergangenen Jahrzehnten.
Vorzeigeunternehmen wie wir sie am Nordkreuz finden, die nunmehr anstehende Ansiedlung eines großen Maschinenbau-Unternehmens, ausreichend Raum für kleine und mittelständische Betriebe über alle Branchen hinweg in der ganzen Gemeinde, Arbeitsplätze vor der Haustür – das alles trägt ganz wesentlich auch die Handschrift der CDU-Fraktion und darauf dürfen wir stolz sein.
Erstmalig nach vielen Jahren ist es nun so, dass die CDU-Fraktion in diesem Jahr nicht mehr die Mehrheitsgruppe anführt und SPD, Grüne und UWG diese seit dem November letzten Jahres bilden. Als größte Fraktion im Gemeinderat ist es aber selbstverständlich weiterhin unser Anspruch, die Politik in der Gemeinde mitzugestalten – auch wenn es um den Haushalt geht.
Deshalb haben wir zum letzten Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen und Digitalisierung einen Änderungsantrag mit einigen Ergänzungen zum Haushalt 2022 eingebracht und das Vorziehen der energetischen Sanierung der Fassade des Verwaltungstraktes an der Grundschule Wahnbek in Höhe von 65.000 Euro, ein Sofort-Maßnahmen-Paket zur kurzfristigen Verbesserung der Lernbedingungen an den Schulen in der Gemeinde in Höhe von 150.000 Euro und Mittel für die Erstellung eines Schulentwicklungsplans in Höhe von 65.00 Euro gefordert.
Wir sind der festen Überzeugung, auch nach Gesprächen mit den Schulleitungen, dass es gerade im Bereich unserer Bildungseinrichtungen darauf ankommt, jetzt die entscheidenden Weichen zu stellen mit Blick auf einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026, mit Blick auf die inklusive Schule und die Zukunft unserer Förderschule, mit Blick auf Raum- und Hallenkapazitäten, mit Blick auf die Anforderungen einer Schule der Zukunft, mit Blick auf notwendige Investitionen, um die Aufenthaltsqualität und die Lernbedingungen in den Schulen kurzfristig zu verbessern.
Vor diesem Hintergrund hat es mich und meine Fraktion durchaus irritiert, mit welchen Begründungen die Einstellung der Mittel in den Haushalt abgelehnt wurde: Eine zu kurze Vorbereitungszeit sagt die Mehrheitsgruppe, eine Umsetzung sei nicht zu schaffen, sagt der Bürgermeister.
Unser Anspruch, das möchte ich hier deutlich unterstreichen, ist ein anderer:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, wir wollen nicht immer hören, was alles nicht geht, wir wollen wissen, wie wir die Dinge möglich machen. Und wenn es im Bildungsbereich im Rathaus personelle Engpässe gibt, dann sind wir bereit personell aufzustocken und sie in die Situation zu versetzen, Dinge möglich zu machen.
Liebe Mehrheitsgruppe, es wird sie nicht wundern, dass ich den Änderungsantrag, die Mittel in Höhe von insgesamt 280.000 Euro für eine „Modernisierungsoffensive Schule“ im Haushaltsplanentwurf zu ergänzen, heute erneut stelle. Nunmehr hatten sie 14 Tage Zeit, sich mit der Thematik ausführlich auseinanderzusetzen und sich ein Bild zu machen.
Selbstverständlich können weitere Fragen dazu im Schulausschuss besprochen und diskutiert werden – heute geht es aber zunächst darum, Mittel bereitzustellen, um schnell starten zu können und nicht ein weiteres Jahr verstreichen zu lassen.
Zwei weitere Themen, die meine Fraktion beschäftigen, möchte ich mit Blick auf die Zeit nur kurz anschneiden:
Es ärgert mich und meine Fraktion, dass wir beim Palais nur schleppend oder ich muss fast sagen gar nicht vorankommen. Weder wir als Politik noch der KKR wissen, wohin die Reise gehen soll. Weder ein Nutzungskonzept noch eine Planung zum ob und wann der Sanierungsmaßnahmen liegt vor. Unsere Bitte ist, sehr geehrter Herr Bürgermeister, das Palais zur Chefsache im Rathaus zu machen, hier endlich mit großen Schritten voranzuschreiten und die Bürgerinnen und Bürger in die Planung einzubeziehen. Das Palais darf kein zweiter Sportplatz Mühlenstraße werden!
Bereits 2019 wurde ein Feuerwehrbedarfsplan für die Gemeinde erstellt. Nun, 2022, drei Jahre später, bringen wir ein Gesamtplanungskonzept für alle Feuerwehrstandorte auf den Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich blicke hier nur beispielhaft auf die Einheit Loy-Barghorn für die wir seit Jahren über einen Neubau diskutieren und kann in Gesprächen immer nur vertrösten. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung hier Tempo zu machen – das sind wir allen Einheiten in der Gemeinde schuldig, denn hier engagieren sich ehrenamtlich Menschen für unsere Sicherheit.
Aufgabe einer Oppositionsfraktion ist es zu kritisieren, dort wo es notwendig ist. Unsere Aufgabe ist es aber auch zu loben, dort wo es angebracht ist – und das möchte ich abschließend tun.
Im letzten Ausschuss für Gemeindeentwicklung und Bauen haben wir gemeinsam weitreichende Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht. Hintergrund ist ein Antrag der alten Mehrheitsgruppe aus CDU und Grünen.
Ich kann nur Lob aussprechen für das ambitionierte und engagierte Vorgehen der Verwaltung – insbesondere von Günther Henkel – der mit Blick auf ein Energieversorgungskonzept für die Gemeinde über die Fortschreibung der Windpotenzialstudie, Freiflächen-PV, Fragen der Mobilität oder ein Solarkataster weitreichende Vorschläge unterbreitet hat, um Rastede bis 2040 zu einer klimaneutralen Gemeinde zu machen.
Das ist klasse, zielorientiert und so wünschen wir uns das in anderen Bereichen auch.
Eigentlich heißt es am Ende der Haushaltsreden - im Dezember - immer Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr – dafür ist es diesmal zu spät. Ich wünsche uns aber dennoch weiterhin ein erfolgreiches Jahr 2022, spannende politische Debatten, gute Beschlüsse im Sinne unserer Gemeinde, eine weiterhin so gute Zusammenarbeit - für die ich an dieser Stelle auch danken möchte - und mit Blick auf den Anfang meiner Rede Gottes Segen und Frieden für Europa.